In Amsterdam kümmerte sich der Umweltnaturwissenschaftler ETH und zweifache Vater vor allem um seine Familie. Kaum zurück im Aargau, fragten die Grünen Aargau das Kommunikationstalent an, ob er zum zweiten Mal ihr Präsident werden möchte. Er will. Am 22. Oktober hat ihn die Mitgliederversammlung zum Nachfolger von Gertrud Häseli gewählt. Samia Guemei hat mit Jonas Fricker gesprochen.

«Wir geben Menschen mit einer nachhaltigen Lebenseinstellung eine Stimme», sagt der alt-neue Präsident der Grünen Aargau im Interview.

«Wir geben Menschen mit einer nachhaltigen Lebenseinstellung eine Stimme», sagt der alt-neue Präsident der Grünen Aargau im Interview. (Foto: Mathias Marx)

Jonas, du warst zwei Jahre in Amsterdam. Wie ist es, nun wieder im Aargau zu wohnen?
In der ersten Zeit empfand ich die Schweiz als eng, gepützelt, normiert. Es kam mir vor, als hätte sich in diesen beiden Jahren nichts verändert. Wir kamen an, im Zug lag der «Blick am Abend». Aber nach kaum einer Woche fühlte ich mich wieder wohl und zuhause.

Du warst nun zwei Jahre lang vor allem Vater und Hausmann. Deine Traumrolle?
Nun ja, für die beschränkte Zeit von zwei Jahren war es für mich sehr befriedigend und bereichernd, mich um unsere Tochter Svenja zu kümmern und sie zu begleiten. In dieser Zeit entwickelte sie sich vom sieben Monate alten Säugling zum zweieinhalbjährigen fröhlichen Bewegungs-Menschlein. Aber ich hatte immer die Option, mich nach unserer Rückkehr in die Schweiz als Quereinsteiger zum Lehrer ausbilden zu lassen. Das bedeutet für mich und meine Frau, dass wir uns unserem Ziel nähern: uns paritätisch für die Familie und unsere Berufe zu engagieren.

Du bist seit 12 Jahren ein homo politicus und hast die Grünen Aargau bereits von 2005 bis 2009 geführt. Hattest du geplant, nach der Rückkehr aus Amsterdam gleich wieder in die Politik einzusteigen?
Nein, geplant habe ich das nicht. Vielmehr war es so, dass der Rücktritt von Gertrud Häseli zufällig mit unserer Rückkehr in die Schweiz zusammenfiel. In Amsterdam allerdings hatte ich gemerkt, wie sehr ich das politische Engagement vermisse. Und so habe ich nicht lange gezögert, als mich die Findungskommission der Grünen Aargau anfragte.

Die Grünen haben 2012 bei den Grossratswahlen 3 von 13 Sitzen verloren. Auch bei den Nationalrats- und den Einwohnerratswahlen liess sich ein leichter Abwärtstrend feststellen. Nicht gerade ermutigend!
Ich sehe die Rolle der Grünen vor allem darin, den Menschen mit einer nachhaltigen Lebenseinstellung eine Stimme zu geben. Im politischen System sind wir häufig Vordenker. Wichtig ist, dass wir eine kritische Masse haben, um wahrgenommen zu werden und Wirkung entfalten zu können. Diese haben wir national, aber vor allem auch im Kanton Aargau, wo wir Regierungspartei sind. Unsere Langzeitwirkung ist offensichtlich. So schreiben mittlerweilen alle Parteien den Umweltschutz auf ihre Fahne. Aber natürlich ist es mir auch ein Anliegen, möglichst viele nachhaltig denkende Menschen unter einem breiten «grünen Dach» zu vereinen, um ein grösseres politisches Gewicht zu haben.

Möchtest du an den Strukturen der Grünen Aargau etwas ändern?
Im Vorstand sind wir daran, unsere Strukturen zu überdenken, damit wir die Menschen, die sich für nachhaltige Werte engagieren möchten, besser unterstützen können. Sie brauchen mehr Gestaltungsmöglichkeiten, damit sie mehr politische Wirkung erzielen können. Mir ist die Beteiligung der Mitglieder ein grosses Anliegen. So habe ich vor Amtsantritt die Wünsche aller Mitglieder an die Grünen Aargau abgefragt. Immerhin 40 haben geantwortet.

Du bist eine ausgesprochen kommunikative Persönlichkeit. Wie kannst du diese Ressource nutzen?
Nach aussen durch gute Medienarbeit, parteiintern durch Fördern einer offenen Kommunikation. Mein Ideal ist eine offene Feedbackkultur. Menschen anzusprechen und zu motivieren, ihren eigenen Beitrag im Sinne unserer Werte beizusteuern, ist im hohen Masse eine kommunikative Aufgabe. Meine Führungskultur ist weniger ein «Mir nach» als ein Fördern des Einzelnen im Sinne von Empowerment. Damit meine ich die Vermittlung von Strategien, die den Grad an Autonomie und Selbstbestimmung im Leben von Menschen oder Gemeinschaften erhöhen und die es ihnen ermöglichen, ihre Interessen eigenmächtig, selbstverantwortlich und selbstbestimmt zu vertreten.

 

Jonas Fricker, 36, ist diplomierter Umwelt-Naturwissenschaftler ETH und war von 2005 bis 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Nachhaltige Entwicklung der ZHAW. Nach einem zweijährigen Aufenthalt in Amsterdam nahm er im September 2013 die Ausbildung zum Oberstufenlehrer für Mathematik, Naturwissenschaften und Sport in Angriff. Jonas Fricker war von 2007 bis 2010 Grossrat und wurde in Baden wieder in den Einwohnerrat gewählt. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.