Eine Wahlanalyse von Jonas Fricker

Mit dem Spitzenresultat von 39975 Stimmen wurde unser Nationalrat Geri Müller in seinem Amt bestätigt. Auch im Ständerat glänzte der Badener Vizeammann mit seinem vierten Platz und liess den CVP-Kandidaten weit hinter sich. Leider konnten die anderen grünen Kandidierenden seinen Rückenwind nicht nutzen, so dass die Grünen Aargau ihr Ziel „zwei Nationalratssitze“ nicht erreichen konnten.

Das gab es noch nie: Geri Müller erhielt mehr Stimmen von SP-Listen als von Grünen-Listen. Auch bei anderen Parteien und vor allem den Parteilosen ist der ehemalige Präsident der aussenpolitischen Kommission äusserst beliebt. Wo aber bleibt der grüne Nachwuchs? An den Jungen Grünen liegt es nicht, dass die Grünen Aargau 0.8 Prozent Wahlanteil verloren haben. Die Jungen Grünen haben mit sensationellen 24326 Stimmen vor der JSVP und der JUSO das beste Wahlergebnis aller Jungparteien erreicht – herzliche Gratulation! Nein, auf der alten Liste klafft nach Geri ein Loch von über 21000 Stimmen. Die nachfolgenden Spitzenkandidierenden haben es leider nicht geschafft dieses zu schliessen. Für den Wahlausgang entscheidender war jedoch die politische Grosswetterlage: Fukushima war für viele Wählende nicht mehr ausschlaggebend und der öffentliche Fokus lag auf dem starken Franken und der drohenden Wirtschaftskrise. Zudem erhielten die Grünen mit den Grünliberalen eine neue bürgerliche Konkurrenz in Umweltfragen. Diese Faktoren führten dazu, dass nicht mehr so viele Wechselwählende grün wählten und somit der Wahlanteil von 8.1 Prozent auf 7.3 Prozent fiel. Das Wahlziel von 10 Prozent wurde damit deutlich verfehlt.

Das zweite Wahlziel „zwei Nationalratssitze“ wurde ebenfalls, jedoch viel knapper, verfehlt. Rund ein Prozent fehlte unserer wahlstrategischen Listenverbindung mit der GLP und der EVP für den dritten Nationalratssitz. Dieser wäre von der FDP an uns Grüne gegangen. Leider haben die EVP gegenüber 2007 über 1 Prozent und wir 0.8 Prozent verloren, was in dieser Deutlichkeit nicht zu erwarten war.

Verglichen mit dem durchschnittlichen Verlust der Grünen in der Schweiz von 1.2 Prozent und fünf Nationalratsmandaten, haben die Grünen Aargau noch relativ gut abgeschnitten. Aber auch wir sind natürlich enttäuscht, dass es uns wieder nicht gelungen ist, das vorhandene Wählerinnen- und Wählerpotential zu mobilisieren.

Es gibt jedoch auch grüne Lichtblicke am Wahlhorizont. So stiegt der grüne Wahlanteil in den Bezirken Rheinfelden und Laufenburg auf 9.7 bzw. 8.0 Prozent. Und auch die Bezirke Aarau (8.3%) und Brugg (8.0%) konnten gute Resultate melden (siehe Tabelle 1). Auf Gemeindeebene (siehe Tabelle 2) schwingt Wegenstetten mit 17.6 Prozent oben aus, dem Wohnort von Patricia Schreiber. Gewohnt stark sind wir Grünen in den grösseren Städten. So liegen vier der zehn Gemeinden mit über 10000 Einwohnenden über der 10-Prozent-Marke (Baden 12.7%, Rheinfelden 11.4%, Aarau 11.0% und Brugg 10.4%). Wenn es nach den Auslandschweizerinnen und –schweizer ginge, würde der Aargau zwei Personen nach Bern schicken, 14.5 Prozent wählten grün.

Die Panaschierstimmen sprechen eine deutliche Sprache. Die Grünen erhielten 29700 Stimmen von Listen ohne Parteibezeichung. Bei den NICHT-Parteiwählenden entspricht das einem Anteil von 10.7 Prozent! Als nächstes folgen rund 23000 Stimmen von den SP-Listen, was 4.9 Prozent der SP-Stimmen entspricht. Im Gegenzug erhielt die SP 13000 Stimmen von Grünen-Listen, was 7.4 Prozent der Grünen-Stimmen entspricht. 5200 Stimmen stammen von GLP-Listen (3.7 Prozent der GLP-Stimmen), 4500 von der CVP (1.6 Prozent) und 3400 von der BDP (2.0 Prozent). Im Gegenzug fanden sich auf den Grünen Listen 1500 Stimmen für die GLP (0.9 Prozent), 2300 für die CVP (1.3 Prozent) und 500 für die BDP (0.3 Prozent). Die Grünen haben also eindeutig mehr Stimmen von fremden Listen erhalten, als abgegeben. Kombiniert man dies mit der Tatsache, dass trotz steigender Wahlbeteiligung von 47.9 auf 48.5 Prozent nur noch 3337 Personen im Aargau die Grüne Liste unverändert eingeworfen haben, während es 2007 immerhin noch 4151 Personen gewesen sind, liegt folgende Interpretation nahe: Nur der harte Kern hat dieses Jahr grün gewählt; die meisten Wechselwählenden mit grünen Adern haben sich für eine andere Liste entschieden (mit Vorlieben eine Liste „ohne Parteibezeichung“, die SP, die GLP, die CVP oder die BDP).

 

Tabelle 1: Wahlanteil in den Aargauer Bezirken 2011 und 2007 in Prozent.

Bezirk

2011

2007

Differenz

1. Rheinfelden

9.7

9.4

+0.3

2. Aarau

8.3

8.6

-0.3

3. Brugg

8.0

9.0

-1.0

4. Laufenburg

8.0

7.1

+0.9

5. Baden

7.8

9.2

-1.4

6. Zofingen

7.1

8.3

-1.2

7. Lenzburg

6.4

7.4

-1.0

8. Muri

6.4

6.7

-0.3

9. Bremgarten

5.9

7.5

-1.6

10. Kulm

5.3

6.5

-1.2

11. Zurzach

5.1

6.4

-1.3

Kanton Aargau

7.3

8.1

-0.8

 

Tabelle 2: Aargauer Gemeinden mit einem grünen Wahlanteil von über 10 Prozent.

1. Wegenstetten

17.6%

2. Kaiserstuhl

16.9%

3. Mellikon

16.3%

4. Zuzgen

15.3%

5. Baden

12.7%

6. Ennetbaden

12.5%

7. Turgi

11.9%

8. Freienwil

11.9%

9. Rheinfelden

11.4%

10. Bünzen

11.2%

11. Aarau

11.1%

12. Uezwil

10.8%

13. Obermumpf

10.8%

14. Brugg

10.4%

15. Gipf-Oberfrick

10.4%

16. Wislikofen

10.4%

17. Zeihen

10.4%

18. Elfingen

10.1%